-Spielbericht-
ENERGIE-GESCHICHTSKALENDER - Heute vor 10 Jahren: der höchste Sieg im Profifußball
Wer erinnert sich nicht gerne an diesen denkwürdigen 14. Spieltag der Saison 2010/11 zurück. Ein echtes Zweitliga-Spitzenspiel stand an, dazu noch ein Ost-Duell gegen Erzgebirge Aue. Fast 15.000 Zuschauer strömten ins Stadion der Freundschaft und erlebten, wie Energie den Tabellenführer aus Aue regelrecht auseinander nahm. Es war der höchste Profisieg in der Nachwendegeschichte des FC Energie. Aber der Reihe nach.
Die Saison begann für Energie gut. Das zweite Jahr unter Pele Wollitz hatte schon das ein oder andere Highlight mit sich gebracht. Nach zwei Auftaktsiegen über Düsseldorf (2:0) und Bielefeld (2:1) folgte das spektakuläre 5:5 gegen den Karlsruher SC. Beim Derby gegen Hertha BSC (0:1) hieß es erstmals "ausverkauft" in dieser Saison. Und auch die taktisch top herausgespielten Siege über Spitzenteams wie Greuther Fürth (2:0) oder der Auswärtssieg bei den starken Ingolstädtern (2:1), ließ Energie frühzeitig oben mitmischen.
Doch an vorderster Front thronte eine andere Mannschaft - das Überraschungsteam von Erzgebirge Aue. Als Aufsteiger dominierten sie die Liga und gewannen Spiel um Spiel. Am 14. Spieltag fuhren die Auer als souveräner Spitzenreiter zum Tabellenvierten nach Cottbus. Mit nur neun Gegentoren nach 13 Spielen kam der FC Erzgebirge mit der besten Defensive der Liga zum Topspiel. Energie stellte zu diesem Zeitpunkt allerdings ligaweit mit 25 Toren auch den besten Angriff. Alles deutete also auf ein weiteres Saisonspektakel hin. Wie eindeutig das Ergebnis am Ende jedoch werden würde, konnte keiner ahnen.
Sonntag, 28. November, 13:30 - Knut Kirchers Pfiff eröffnete den Spieltags-Kracher pünktlich. 14.550 Zuschauer, darunter zahlreiche Mitgereiste aus Aue, sorgten schon auf den Rängen für einen stimmungsvollen Aufgalopp. Energie setzte bereits in der Anfangsphase immer wieder Nadelstiche, war allerdings gegen den Tabellenführer erst einmal um defensive Stabilität bemüht. In der 17. Minute zeigte Kircher trotz Protesten der Auer Freistoß aus etwa 25 Metern für Energie an. Uwe Hünemeier, seines Zeichens Abwehrspieler, schnappte sich den Ball. Nach kurzem Anlauf und einem tückischen Aufsetzer war die Kugel bereits zum ersten Mal im Netz. Aue-Keeper Martin Männel, der den Schuss falsch eingeschätzt hatte, machte dabei keine glückliche Figur.
Mit dem 1:0 im Rücken fiel eine Last von der Mannschaft, die ihrerseits allerdings weiter diszipliniert ihren Stiefel runterspielte. Keine sieben Minuten später - erneut Freistoß für Cottbus. Diesmal stand Daniel Ziebig auf der Außenposition am Ball, flankte diesen gefährlich in den Sechzehner, wo erneut der aufgerückte Hünemeier hochstieg und unhaltbar zum 2:0 einköpfte. Der Jubel im Stadion war bereits jetzt regelrecht ekstatisch, angesichts des drohenden Sturzes vom Tabellenführer aus dem Erzgebirge. Und es sollte noch bitterer kommen für die Veilchen. Denn mit dem Pausenpfiff musste Aue-Kapitän René Klingbeil mit Gelb-Rot vom Platz. Statt wegen der Überzahlsituation leichtsinnig zu werden, spulte Energie weiter sein Programm ab.
Denn auch in der zweiten Hälfte spielte fast nur eine Mannschaft. Und erneut erwuchs Gefahr aus einem weiteren Standard. Diesmal trat mit Kapitän Marc-André Kruska der dritte im Bunde zur Ausführung an. Auch er brachte den Ball gefährlich in den Strafraum, wo Emil Jula wartete und abzog, der Schuss jedoch zunächst geblockt wurde. Den Abpraller brachte der Rumäne dann allerdings willensstark im Tor unter. 3:0! Nach nicht einmal einer Stunde. Der Tabellenführer wehrte sich mit Händen und Füßen, sah jedoch jetzt kein Land mehr. In der 71. Minute nahm sich dann erneut Emil Jula ein Herz, zog aus knapp 30 Metern einfach mal ab - und versenkte die Kugel mit einem Wahnsinnsschuss im Dreiangel der Gäste. Was für ein Tor! Emil Jula gab hinterher zu Protokoll, den wohl "schönsten Treffer meiner Karriere" erzielt zu haben.
Doch auch damit war es nicht getan. Nur zwei Minuten danach flog eine Flanke von Alexander Bittroff durch die Auer Abwehrreihen, wo der eingewechselte Marco Kurth besser postiert per Linksschuss zum 5:0 einschob. Den sich in den Armen liegenden Cottbuser Fans wurde dann sogar noch ein weiteres historisches Highlight gegönnt. Ein Eckball von Ziebig fand am Fünfmeterraum erneut den besten Mann auf dem Platz. Uwe Hünemeier konnte unbedrängt zum 6:0 einköpfen und damit sein drittes Tor an diesem Tag erzielen. Vier Standardtore, sechs insgesamt - der historisch höchste Sieg im Profifußball nach der Wende war damit perfekt. "Das war ein Ausrufezeichen", strahlte Kruska nach dem Spiel. Und auch Pele Wollitz befand, dass "es etwas mit außergewöhnlicher Qualität zu tun hat, wenn man sich den Gegner so zurecht legt".
Im weiteren Saisonverlauf sollte sich Aue von diesem Debakel nicht mehr erholen und schenkte nach und nach auch den Punktevorsprung her. Letztendlich konnte aber auch Energie nur zeitweise oben mitmischen - allein schon eine Woche nach dem höchsten Saisonsieg gab es eine klare 0:4-Klatsche in Augsburg. Nach Licht und Schatten sollte Energie am Saisonende Platz 6 erreichen.
(Text: November 2020)
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