Energie Cottbus
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Saisonchronik 2004/05 → 2. Bundesliga: Karlsruher SC (A)

2. Bundesliga 2004/05 - 34. Spieltag
Sonntag, 22.05.2005
Wildparkstadion, Karlsruhe

21.700 Zuschauer

3:2
Karlsruher SC (1:2) FC Energie Cottbus

Schiedsrichter:
Dr. Jochen Drees (Mainz)

Gegnerstatistik:
Karlsruher SC

Programm Plakat Presseinfo Bericht

Tore

1:0 T. Rost (2., Eigentor)
1:1 D. Gunkel (32.)
1:2 K. Sahin (45. +1)
2:2 D. Schwarz (72.)
3:2 S. Freis (90.)

Karlsruher SC

M. Miller - T. Kies, M. Eggimann, M. Stoll, F. Dick - D. Schwarz, C. Rothenbach - J. Männer, I. Masmanidis - S. Freis, S. Dundee

Auswechslungen:
C. Hassa für T. Kies (46.)
E. Kapllani für F. Dick (62.)

Trainer: Edmund Becker

FC Energie Cottbus

T. Piplica - V. da Silva, M. Hysky, G. Berhalter - B. Schöckel, T. Rost, Z. Szélesi  - D. Gunkel, T. Bandrowski - B. Brunnemann , K. Sahin 

Auswechslungen:
L. Jungnickel für T. Bandrowski (70.)
N. Mészáros für B. Brunnemann (78.)
A. Iordache für K. Sahin (79.)

Trainer: Petrik Sander

Besonderes Vorkommnis / Sonstiges

Spielbericht

Genau 15 Jahre ist es auf den Tag genau her, als unser Verein eines seiner wichtigsten Spiele im Profifußball bestritt. Wir befinden uns am letzten Spieltag der Saison 2004/05, mitten im hochdramatischen Abstiegskampf der 2. Liga. Die Ausgangslage: nachdem Energie am 33. Spieltag mit 0:3 deutlich gegen die Frankfurter Eintracht unterlag, befand sich der FCE mit 39 Punkten zwar immer noch auf Platz 13 - der Vorsprung auf Eintracht Trier (14. mit 38 Punkte) und LR Ahlen (Abstiegsplatz 15 mit 36 Punkten) schwand jedoch sichtbar. Am letzten Spieltag würde ein Punkt beim Karlsruher SC reichen; der Sportclub hatte sich zuvor bereits den Klassenerhalt gesichert. So erhoffte man sich aus Cottbuser Sicht ein gutes Auswärtsspiel, um den letzten fehlenden Punkt noch irgendwie zu sichern. Doch es sollte alles ganz anders kommen.

Die Ansetzungen des 34. Spieltages ergaben, dass Konkurrent Eintracht Trier beim 1. FC Saarbrücken (12. Platz) antreten musste. Die Saarländer konnten theoretisch auch noch unter den Strich rutschen, wenn alle drei oben genannten Clubs gewinnen würden. Von daher reichte auch Saarbrücken, genau wie Energie, zum sicheren Klassenverbleib ein Punkt. LR Ahlen, die von allen Teams die schlechteste Ausgangslage besaßen, hatten ein Heimspiel gegen die bereits abgestiegenen Essener - und wir dürfen es vorweg nehmen: sie gewannen dieses auch mit 3:1. Alles andere war Dramatik pur.

Sonntag, 22. Mai, 15:00. Der Anstoß findet auf allen Plätzen parallel statt. 21.700 Zuschauer im Karlsruher Wildpark sorgen für eine hitzige Atmosphäre, auch die vielen Gästefans tragen das Ihre dazu bei. Alles liegt in den Händen der Energie-Elf, die angeführt von Kapitän Gregg Berhalter den puren Willen verkörpert, diese Partie gewinnen zu wollen, um erst gar nicht Bruder Leichtsinn zu verfallen. Doch dann der frühe Schock: praktisch mit der ersten Aktion des Spiels ging der KSC in Führung. Nach einem Freistoß von Florian Dick beförderte ausgerechnet Timo Rost den Ball per Kopf ins eigene Tor. Nur wenige Augenblicke später hallte es aus den Radios: Tor in Saarbrücken - auch Konkurrent Eintracht Trier ging mit 1:0 in Führung. Das Entsetzen bei Energie wich jedoch schnell dem Kampf und Siegeswillen. Denn jetzt legten Rost, da Silva, Berhalter, Gunkel und Co erst richtig los. Jeder Zweikampf wurde bissig geführt und die Chancen ergaben sich aus einem sicheren und konzentrierten Spiel heraus zwangsläufig. In der 33. Minute flankte Benjamin Schöckel auf den in der Mitte wartenden Daniel Gunkel, der mit dem Kopf zum Ausgleich einnetzte. Da war er, der verdiente Treffer, der über den Ausgang einer ganzen Saison entscheiden konnte. Als vor der Pause Kenan Sahin sich sein erstes Tor für Energie für diesen wichtigen Tag aufgehoben hatte und nach da Silva-Vorlage zum 2:1 für Energie einschob, schien die Sache schon fast entschieden. Zumal auch die Saarbrücker ihre Hausaufgaben machten und den Ausgleich gegen Trier noch vor der Pause markierten.

Es hätte eine gemütliche zweite Halbzeit werden können, in der Cottbus die Punkte aus dem Wildpark entführen und den mitgereisten Anhängern eine berauschende Party im Gästeblock bieten können. Doch so ganz ohne Spannung geht es eben nicht. In der zweiten Halbzeit spielte überwiegend der KSC und kam immer wieder gefährlich vor Piplicas Kasten. Die Abwehr hielt bis zur 72. Minute stand - dann beförderte Kapitän Danny Schwarz einen Freistoß sehenswert und direkt ins Cottbuser Tor. Der Ausgleich. Parallel dazu hatte der LR Ahlen seine Partie gegen Essen gedreht und ging mit 2:1 in Führung. Energie fing jetzt an zu schwimmen und war nur noch darauf bedacht, den Punkt mit nach Hause zu nehmen. Doch kurze Zeit später lag der Ball wieder im Cottbuser Kasten; dieses Mal zählte der Treffer wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung aber nicht. Glück gehabt. Dennoch rannten die Badener weiter Richtung Gästetor, wollten ihrem Publikum jetzt einen versöhnlichen Saisonabschluss bieten. Das Grauen zog sich lange hin und fand schließlich sein Finale in der 90. Minute. Sebastian Freis schockte alle Spieler, Fans und Verantwortliche des FCE, als der Ball wie in Zeitlupe ins Energietor flog. Die Welt stand still, keiner wusste was das jetzt bedeutete. Nach dem Abpfiff komplette Leere, blankes Entsetzen, die Spieler lagen scheinbar ohnmächtig auf dem Rasen. Wars das jetzt?

Die Minuten verstrichen. In Saarbrücken wurde noch gespielt. LR Ahlen hatte sich doch noch an allen vorbeigeschoben und war wegen des besseren Torverhältnisses gegenüber Energie gerettet. Ein Tor von Trier und Energie wäre weg. Ein Tor mehr vom KSC an diesem Tag und Energie wäre ebenfalls in die Regionalliga abgestiegen. Dann der Aufschrei. Abpfiff in Saarbrücken. 1:1. Trier war verzweifelt angerannt aber konnte keinen weiteren Treffer erzielen. Der Wahnsinn war perfekt: die um ein einziges Tor bessere Tordifferenz hatte Energie den Klassenerhalt beschert. Eintracht Trier musste absteigen. Trotz der Cottbuser Niederlage. Trotz der furchtbaren Ergebnisse der letzten Wochen. Trotz allem blieb man in der Liga. "Ich habe geglaubt, wir sind abgestiegen", ließ Daniel Gunkel völlig entgeistert seiner Gefühle freien Lauf. Auch Kapitän Berhalter schwankte zwischen Euphorie und Enttäuschung: "Das Ergebnis ist eine Katastrophe! Aber das Wichtigste ist der Klassenerhalt.".

Und auch der Trainer fand die passenden Worte, nannte das Spiel "ein Spiegelbild der gesamten Saison". Das war es vielleicht auch - und doch erwuchs aus diesem Saisonausgang eine ganz besondere Kraft. Denn wer hätte Energie ernsthaft zugetraut, nur ein Jahr später um den Aufstieg mitzuspielen und ein zweites Mal in die Bundesliga aufzusteigen? Wohl kaum einer. Und vielleicht brauchte es erst jene Dramatik, um den Verein wachzurütteln und sich wieder seiner eigenen Stärke bewusst zu werden. Und wenn es am Ende auch nur ein Tor war, welches den weiteren Weg des Clubs ebnen sollte - es war dann doch irgendwo der perfekte Prolog zu weiteren spannenden Kapiteln im Profifußball mit Energie. Ein echter Meilenstein der Energiehistorie eben.

(Text: Mai 2020)