In der Startelf des FC Energie stand das erste Mal in der 38-jährigen Bundesliga-Geschichte kein deutscher Spieler.
-Spielberich-
ENERGIE-GESCHICHTSKALENDER - Heute vor 20 Jahren: 11 Ausländer müsst ihr sein!
Energie hat in seiner ersten Bundesliga-Saison 2000/01 zweifelsohne Geschichte geschrieben. Nicht nur die eigene Vereinschronik bekam viele unvergessliche Momente und Erfolge hinzu. Auch die Bundesliga erlebte mit dem FCE ihr "buntes Wunder". Am 6. April 2001 bot Eduard Geyer gegen den VfL Wolfsburg erstmals in der 38-jährigen Bundesliga-Geschichte eine aus elf Ausländern bestehende Mannschaft auf.
Dabei fiel dieses Novum den meisten Energiefans beim Blick auf die Aufstellung sicher gar nicht auf. Zu vertraut waren die Namen derer, die für den FCE Woche für Woche die Knochen hinhielten. Ob Piplica, Vata, Mátyus, Hujdurovic, Akrapovic, Reghecampf, Miriuta, Kobylanski, Latoundji, Labak oder Bittencourt - sie alle waren Hoffnungsträger einer ganzen Region. Es spielte einfach keine Rolle, wer da wo geboren war oder warum er - aus welchen Motiven auch immer - für Energie in der ersten Liga kickte. Was zählte war die Einstellung, die Identifikation mit dem Verein, die Leidenschaft und der Wille, mit dem die meisten jener Kicker ihre mitunter fußballerischen Defizite gegenüber anderen Mannschaften ausglichen und sich zu Höchstleistungen trieben. Für Ede Geyer zählten ebenso keine Namen - rational teilte er seine Spieler im Wochenrhythmus nach guten und weniger guten Trainingsleistungen ein.
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„Ich finde es gut, dass die Ausländer so stark sind. Auch für unsere Nationalmannschaft. Es bringt doch nichts, unsere deutschen Stars immer nur in Watte zu packen und die Ausländer die Dreckarbeit machen zu lassen. Die jungen Deutschen sollen rackern, sich den Arsch aufreißen und sich die Stammplätze durch mehr Engagement zurück erkämpfen“ (Eduard Geyer auf die mediale Kritik)
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Der 6. April 2001 entfachte dennoch ligaweit Diskussionen. Gerade im Hinblick auf das schwache Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft und der Sorge um das Ausbleiben guter Nachwuchskicker im eigenen Land wurde heftigst debattiert. Von all dem wollte man in Cottbus nichts hören. "Idioten" nannte Präsident Dieter Krein jene, die "mit dem Finger auf uns zeigen". Tatsächlich war der FCE sicher nicht der Hauptschuldige am Nationalmannschafts- und Nachwuchs-Dilemma. In Cottbus herrschte Pragmatismus, aus wenig galt es viel zu machen. Wenn deutlich finanzstärkere Vereine, vertreten durch Personen wie Ottmar Hitzfeld ("Ich bedauere die Entwicklung. Wir haben eh zu wenig deutsche Spieler in der Bundesliga") sich aus ihrer privilegierten Position heraus darüber aufregten, konnte man ohnehin nur müde lächeln.
Übrigens: das eigentliche Spiel gegen den VfL Wolfsburg fand neben dem ganzen Medienrummel an jenem Freitagabend auch noch statt. Ein etwas müder Kick führte letztendlich zu einer torlosen Punkteteilung mit den Wölfen. Zwar hatten beide Teams in der zweiten Hälfte Großchancen zum Sieg - unter anderem wurde ein Nachschuss von Labak von einem Verteidiger von der Linie gekratzt - jedoch machte vor allem Gästekeeper Claus Reitmaier viele gute Möglichkeiten der Cottbuser zunichte. Auch die drei weiteren ausländischen Kicker, die Geyer in Person von Rödlund, Ilie und Wawrzyczek im Verlauf des Spiels brachte, konnten am Spielausgang nichts mehr ändern. Für Energie war es natürlich trotzdem ein wichtiger Punkt, der gegen den UEFA-Cup-Aspiranten aus der Autostadt erkämpft wurde. Als nach dem Spiel auch Gäste-Trainer Wolfgang Wolf zur Aufstellung des FCE befragt wurde, zeigte er als einer von wenigen Verständnis für die Standortnachteile der Lausitzer: "Wir haben auch ein paar Jahre gebraucht, bis wir die Mittel zusammen hatten um gute deutsche Spieler zu kaufen".
Unterm Strich ist jener "Bundesliga-Rekord" wohl die bleibendste Anekdote aus diesem Spiel. Mit 20 Jahren Abstand und mit Blick auf die Entwicklung des europäischen Fußballs, kann man Energie sogar eine Art Vorreiter-Rolle bescheinigen. In fast allen Vereinen, vor allem in den Spitzenligen, spielen Nationalitäten längst keine Rolle mehr. Die Besten werden geholt um mit den Besten zusammenzuspielen. Das war 2001 in Cottbus so, das wird auch in Zukunft sicherlich so sein. Am Ende gibt der Erfolg den Mannschaften Recht. Als Energiefan weiß man das nur allzu gut.
(Text: April 2021)
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